Donnerstag, 17. April 2014

Karfreitag

Es gibt einen christlichen Feiertag im Jahr, da bin ich pingelig. Sehr pingelig zum Ärger meines Mannes, der ja eh so gar nichts mit Kirche am Hut hat und sich selbst als Atheist bezeichnet, und das ist Karfreitag.

Karfreitag und Ostern sind nunmal die wichtigsten religiösen Feiertage und da bin ich streng. So bin ich groß geworden, so gebe ich das weiter, also auch eine Art von Tradition. 

Diese Tradition treibt meinen Mann allerdings jedes Jahr leicht in den Wahnsinn. Als Fleischliebhaber ("Fleisch ist mein Gemüse, also MEHR Fleisch!") hat er die A-Karte, denn Karfreitag herrscht hier striktes Fleischverbot. Keine Wurst, kein Fleisch, nichts was damit zu tun hat. Es gibt Pfannkuchen oder Struwen (da ist sie wieder, die westfälische Heimat), da muss er durch. Früher gab es immer Fisch, aber den isst er ja auch nicht (ja, ich habe es schwer hier ;) ).

Da Leo letztes Jahr getauft wurde und alles was mit Gott zu tun hat momentan wahnsinnig spannend findet ("Mama, weisst Du, Gott macht alles. ALLES!! Alles macht der! Ist das nicht cool, Mama? Wusstest Du das, dass der ALLES macht?! ALLES, Mama". Man merkt durchaus den christlichen Kindergarten, oder?) muss ich natürlich auch seit Tagen begründen warum wir Karfreitag kein Fleisch essen und in den meisten Städten ein Tanzverbot gilt. 

Und jetzt hat mein Mann also dieses Jahr zwei hier sitzen, die "NEIN!" schreien werden, wenn er wie jedes Jahr versuchen wird sich Wurst auf's Brot zu legen. Herrlich!!! Der arme Kerl tut mir jetzt schon leid. Allerdings nur ein bisschen.

Auf der anderen Seite sagte er mir neulich, er sei sehr froh, dass ich solche Tage konsequent durchziehe und Leo diese wichtigen Sachen mit auf den Weg gebe, auch wenn er sie überhaupt nicht nachvollziehen kann, so als Atheist. Trotzdem sei es auch eine Art der Allgemeinbildung. 

Recht hat er. 

Wir leben hier auch nicht streng christlich oder gehen jeden Sonntag in die Kirche. Wir glauben an bestimmte Dinge oder eben auch nicht. Dennoch finde ich es sehr wichtig Kindern auch diese religiösen Feiertage zu erläutern und als Wissen mit auf den Weg zu geben.

Selbst, wenn Leo sich irgendwann auch dazu entscheiden sollte wie sein Vater Atheist zu sein, dann ist das so. Er kennt dann aber beide Seiten und kann selbst entscheiden an was er glauben möchte. Wir geben ihm beides mit auf den Weg.

Ich persönlich finde es sehr traurig, dass viele Kinder nur noch den Osterhasen und den Weihnachtsmann kennen, nicht aber die Weihnachtsgeschichte oder die Kreuzigung und Auferstehung Jesu. 

Das hört sich jetzt alles wieder kitschig und konservativ an, auch dass Leo jedem dauernd erzählt, dass Gott alles macht und wie toll er das findet. Er bekommt aber eben alles erklärt und zieht seine Schlüsse daraus. Wir können da wirklich nichts für, wenn er solche Aussagen lautstark verkündet, wir bringen ihm da nichts bei oder so was in der Art. Ich find das auch irgendwie niedlich, wie er sich selbst die Welt erklärt und alles was dazugehört. 

Sollte das nicht auch genau so sein? Dass ein Kind alles mit auf den Weg bekommt, sich die Welt erklärt, uns seine Ansichten mitteilt, man darüber redet und daraus lernt? Und damit meine ich dann mal wirklich ALLES.

Selbst, wenn man nicht an Gott glaubt, nichts mit der Kirche zu tun hat, sollte man seinem Kind nicht trotzdem die Chance geben wenigstens die wichtigsten Sachen zu lernen?





Mittwoch, 16. April 2014

"Ich glaub, mich tritt ein Kind" - Eine Buchempfehlung

Es gibt tausende Bücher über das Thema Schwangerschaft. Ratgeber, Erfahrungsberichte, etc., aber dieses hier sieht nicht nur auf den ersten Blick ansprechend aus, es ist verdammt gut!

Alleine der Titel hat mich, obwohl ich bereits Mutter bin, neugierig gemacht. "Ich glaub, mich tritt ein Kind!" - Ja, natürlich, dachte ich immer schmunzelnd, was denn sonst? Ein Elefant? Wer weiß ;) 

Dann habe ich angefangen zu lesen.... Und habe gelacht, mich an mich selbst erinnert gefühlt und deswegen noch mehr gelacht. 

Worum geht es und was macht dieses Buch so anders, als andere Bücher für Schwangere?

Kurz gesagt: Es ist ehrlich! Eine werdende Mutter stellt ehrliche Fragen, die sie beschäftigen, was da alles so auf sie zukommt, was sich verändert, was ihr Angst macht, an eine Mutter, die bereits 3 Kinder hat. Und diese beantwortet die Fragen einfach schonungslos ehrlich.

Es wird nichts übertrieben, ausgeschmückt, schön geredet. Nein. Es wird knallhart gesagt wie es ist. 

Wir erleben also die Schwangerschaft von Caroline Rosales mit all ihren Ängsten, ihren Launen, körperlichen und gesellschaftlichen Veränderungen. Und wenn wir mal ganz ehrlich sind (an die, die bereits eine oder mehrere Schwangerschaften hinter sich haben): Jede Frau hat teilweise eine Scheissangst, weil sie keinen Plan hat, was genau da eigentlich auf sie zukommt und wie sie als Mutter werden wird, ob sie alles richtig macht.

Und auf all diese Fragen, die ich selbst auch teilweise genau so hatte, bekommen wir Antworten von Lisa Harmann, einer dreifachen Mutter, als schonungslose Wahrheit geliefert. 

Genau deswegen ist dieses Buch anders. Es haut Fakten auf den Tisch und es wird nichts verschwiegen oder verschönt. 

Ich hätte mir damals, als ich schwanger war, so ein Buch gewünscht. Es hätte mir fast alle Fragen beantwortet und mich beruhigt, ich hätte was zum Schmunzeln gehabt, anstatt dauernd irgendwelche Statistiken, Ratgeber und Checklisten vor Augen zu haben, die mich schon irgendwie panisch gemacht haben.

Wer also noch ein Geschenk für eine schwangere Schwester/Freundin/Bekannte sucht: Ich kann es nur empfehlen! Auch für uns Mütter, die bereits ein Kind haben ist es sehr lesenswert und amüsant.

Bei Amazon (den Link findet ihr, wenn ihr auf den folgenden Buchtitel klickt) könnt ihr auch ins Buch hineinschauen, Euch selbst einen Eindruck verschaffen und es natürlich sofort kaufen ;)

"Ich glaub, mich tritt ein Kind" - Für mich persönlich eines der besten Bücher zum Thema Schwangerschaft.

Ihr findet die beiden Autorinnen übrigens auch im Internet:

Bei Facebook: Stadt, Land, Mama
Der Blog der beiden: http://www.stadt-land-mama.de





Montag, 14. April 2014

Wie geht's Dir?

"Wie geht's Dir?" - Eine Standardfrage im Alltag, mal geduzt, mal gesiezt. Hören wird dauernd, fragen wir ständig selbst. Was aber antworten wir darauf?

Antworten wir mit der Wahrheit? Wenn es uns gut geht, ja. Und wenn es uns schlecht geht? Wem antworten wir dann ehrlich? Überlegt mal genau, wem ihr was sagt... Ich sage nicht jedem alles. Bei einigen, die mich fragen ist immer alles gut. Bei anderen ist einiges gut, einiges nicht so gut und nur bei ganz ganz wenigen sage ich, wie es mir wirklich geht.

Ist das nicht eigentlich traurig. Warum fragen wir denn dann überhaupt? Aus Höflichkeit? Interessiert es uns wirklich wie es dem Gegenüber geht? Auch hier: Bei einigen ja, bei anderen nicht wirklich und manchen so gut wie gar nicht. Hängt eben von der Sympathie ab.

Tatsache ist: Alles, was positiv ist möchten wir hinausschreien und der Welt mitteilen. Alles, was negativ ist, eher nicht so. Wir könnten uns verwundbar machen, es könnte peinlich sein, wir müssten zugeben, dass nicht alles glatt läuft, dass wir Fehler machen. Das ist schwer. Vor allem in einer "perfekten" Welt, in der nach Aussen bei allen alles "supi" erscheint.

Ist das nicht auch traurig? Dass jeder "perfekt" sein will. Warum? Fehler machen gehört doch zum Leben dazu, genau wie verwundbar sein. Macht das nicht einen Menschen aus, wenn er zeigt, dass er verwundbar ist. Das ist doch menschlich und sensibel. Sollten wir das nicht sein? 

Verkehrte Welt, wenn ihr mich fragt!

Männer und Jungs dürfen nicht weinen und Frauen sollen es nicht zu viel. Frauen sollen immer hübsch, schlank und gepflegt sein, gut gekleidet, lächelnd den Alltag wuppen und Männer brauchen für die Arbeit unter Umständen einen Anzug und brauchen sich um mehr nicht kümmern. So wird es oft vermittelt. Der Mann ist stark, die Frau nicht, sie soll aber auch nicht zu weinerlich sein.

Gleiches gilt für Kinder. Sie sollen ihre Gefühle ruhig zeigen, aber bitte nicht wegen jedem pieps gleich weinen, sonst ist es gleich eine Heulsuse.

Wenn man ein Kind fragt "Wie geht es Dir?" ist das dann auch Höflichkeit oder will jeder das wirklich wissen? Auch ein Sympathie-Ding? Und warum fragen wir das Kinder überhaupt? Wollen sie darauf antworten? Wenn ja, was eigentlich? Meistens "gut" oder sie sagen gar nichts, eben genauso wie wir.

Und wie geht es Euch heute eigentlich?

Mittwoch, 9. April 2014

Offen, ehrlich und direkt.

Offenheit, Ehrlichkeit und Direktheit, dass sind Eigenschaften, die sich viele von ihrem Gegenüber wünschen. Treffen sie dann aber tatsächlich auf so einen Menschen, der ihnen ehrlich und direkt etwas sagt, was auch mal negativ sein kann, dann wünschen sie sich lieber eine Lüge.

Ich bin (meistens jedenfalls) ein offener, ehrlicher und direkter Mensch. Ich kann meine Gefühle sowieso schlecht verbergen, da mein Gesicht sie widerspiegelt. Es gibt natürlich Situationen in denen ich mich beherrschen muss und meine wahren Gefühle verberge. Das fällt mir zwar sehr schwer, aber da muss ich nun mal durch.

Ich gehe auch mit meinen Schicksal offen um. Sehr offen. Fragt mich jemand nach einem zweiten Kind, sage ich, dass eins da wäre, es aber leider nicht den Weg in diese Welt geschafft hat. Diese Aussage schockt einige Menschen, aber bisher hatte ich damit keine großen Probleme.

Habe ich aber einen sehr schlechten Tag und finde die Welt ungerecht, weil ich mir nichts anderes wünsche als erneut ein Baby in meinen Arm zu halten, weil alle um mich herum das dürfen, nur ich nicht,  dann ist das eine Aussage, die ich laut der Meinung einiger Menschen, nicht tätigen darf.

In den Augen vieler Aussenstehender habe ich alles oder fast alles, was ich mir wünsche. Ich habe ein gesundes Kind, einen Mann, einen Hund, ein Haus, ein Auto, einen Job. Das stimmt alles. Ich wünsche mir auch nicht viel, denn ich weiß, was ich habe und ich weiß es zu schätzen. 

Doch es gibt einen Herzenswunsch, den ich nun mal habe und auf den ich keinerlei Einfluss habe, wie und wann er mir erfüllt werden kann: Ein Baby. 
Wenn ich könnte, ich würde alles dafür geben. 

Und ja, ich bin neidisch auf jede Schwangere, auch wenn ich mich noch so sehr freue für sie. Ja, ich denke bei jeder Schwangeren "Hoffentlich geht alles gut. Es muss alles gut gehen!" Ja, ich bin vernarrt in Babys und könnte sie stundenlang beobachten und strahle sie an. Weil sie mich an meine glücklichsten Momente erinnern und an die Schlimmsten. Weil sie mir kurz Hoffnung geben und weil es mich glücklich macht ein strampelndes, lebendes Bündel Glück zu sehen, ein neues Leben, dass es geschafft hat in diese Welt. 
Und ja, es ärgert mich noch mehr und macht mich wütend, wenn Babys und Kinder nicht so behandelt werden wie sie es sollten, weil ich weiß wie kostbar ihr Leben ist. Es fällt mir schwer mich da immer zusammenzureissen und zu schweigen. 

Ist das alles so verwerflich? Ist es so schlimm offen sagen zu können "Mein Sohn ist tot, es ist schrecklich, es gibt gute und schlechte Tage, aber im großen und ganzen ist es ok, weil ich es nicht ändern kann. Aber ich wünsche mir ein drittes Kind."   

Ich würde mich gern zwischen zwei Kindern zerreissen, Streit schlichten, wieder schlecht schlafen und gestresst sein, weil zwei Kinder mehr Arbeit bedeuten. Ich möchte gerne jammern, wie anstrengend es ist mit zwei Kindern. 
Viel lieber als zu jammern, dass ich zum Friedhof muss, damit das Grab ordentlich aussieht. 
Ekelhafter Vergleich, oder? Denk ich mir auch jedes mal und trotzdem kommt er mir dauernd in den Sinn.

Warum darf man nur offen und ehrlich sein, wenn es um etwas positives geht? Warum haben so viele Menschen Probleme mit negativen Dingen? Gehört das nicht auch zum Leben dazu? 

Wenn es Menschen wie mich nicht gäbe, die den Mund aufmachen und erzählen was sie stört und was sie erlebt haben, würden dann alles wirklich zu schätzen wissen was sie haben? Würden sie trotzdem kurz innehalten und darüber nachdenken wie viel Glück sie haben und dass sie eigentlich zufrieden sein können?

Ich bin mir da nicht so sicher. Ich brauche manchmal kleine "Denkanstösse" um zu sehen wie gut es mir eigentlich geht. Braucht das nicht jeder? Und wie wäre eine Welt in der sich alle gegenseitig anlügen wie gut es ihnen geht und wie toll alles ist?
Das Leben ist nicht immer schön. Es ändert auch nicht die Tatsachen, wenn man Menschen wie ich mich, die offen negative Dinge ansprechen, ignoriert. 
Damit kann man vielleicht etwas für einen Moment ausblenden, aber die Tatsachen an sich bleiben bestehen und holen einen ja doch wieder ein. Oder?

Freitag, 4. April 2014

Mein Kind - Mein Mini-Me

Mein Kind nervt. 

Jetzt lesen das einige und denken "Wer bitte sagt, dass sein eigenes Kind nervt?! Die hat ja voll den Schaden!". Ja, bitte, dann habe ich einen. Und wisst ihr, was mich am meisten nervt? Dass mein Kind so ist wie ich. Mein Sohn hält mir tagtäglich ein Spiegelbild vor und ich sehe wie ätzend ich sein kann, wie nervig und er zeigt mir Dinge, die ich nicht sehen will. 

Er knallt Türen, wenn er wütend ist, wird schnell bockig, guckt mich böse an, wenn es nicht nach seinem Kopf geht (das ist MEIN böser Blick und ich hasse es ihn selbst zu bekommen), will alles alleine machen und rastet dann förmlich aus, wenn es nicht so klappt wie er es gerne hätte, will am besten alles gleichzeitig, sofort und ändert manchmal mitten drin seine Meinung dazu. Was er nicht will, macht er extrem gut deutlich und was er will noch mehr. Geht etwas kaputt, was ihm irgendwie wichtig war (und wenn es eigentlich nur so ein Quatsch war) dann bricht eine Welt zusammen, sucht er etwas ganz dringend und kann es nicht finden wird er sofort wütend. Und ganz wichtig: Er hat immer recht!
Kurzum: Das bin ich. So war ich auch schon als Kind, die Ungeduld in Person. 

Tatsache ist, was ich mache, macht mein Kind mir nach. Möchte ich, dass mein Kind sich verändert muss ich mich mit verändern. Entspannte Eltern haben (zumindest größtenteils) entspannte Kinder, sagt man ja. Und dieser kleine Mini-Me erinnert mich dauernd daran, dass ich entspannter sein sollte.

Aber wann fängt entspannt sein an?
Gute Frage. Ich suche immer noch nach einer Antwort. Wer sie hat, bitte melden!

Ich weiss, dass ich ruhiger sein sollte, nicht ganz so temperamentvoll, empfindlich, zickig, nicht immer so übertrieben auf manche Dinge reagieren sollte und vor allem geduldiger werden muss.  Es ist nur schwer mir das alles nach 30 Jahren abzugewöhnen. Es ist schon besser mit mir geworden, ich bin da bereits auf einem guten Weg und so komplett verändern möchte ich mich auch nicht, dann wäre ich ja nicht mehr ich. Und mal ganz ehrlich: Ohne mich wäre es total langweilig für einige ;)

Zusammen ergeben wir auch garantiert eine lustige Mischung, eine Bomben-Stimmung sozusagen, aber mal im Ernst: Ich möchte eigentlich gar nicht so sein. Ich erschrecke mich jedes mal, wenn ich mich selbst erkenne und es nervt. Es macht mich wütend und traurig über mich selbst. Ich sehe so, wie ich auf andere wirken muss und das möchte ich so eigentlich gar nicht. 

Und weil wir uns beiden gegenseitig so auf die Nerven gehen ändern wir das jetzt. Wir finden das beide nämlich total doof so zu sein. Nur den bösen Blick, den behalten wir, denn den kann nicht jeder. Den haben wir von Oma (meiner Mama) übernommen und geben ihn weiter ;)

Mittwoch, 2. April 2014

Ist mein Kind normal?

Diese Frage habe ich mir oft gestellt und erwische mich selbst jetzt, nach 4 Jahren, manchmal dabei mir sie wieder zu stellen.

Es fing schon an bei der Geburt: Kaiserschnitt, 54 cm, ca. 3.500 Gramm. Geburt nicht normal, zu groß, zu schwer. Wurde nicht gestillt. Auch nicht normal. Dann ging es weiter in der Entwicklung: "Waaas?! Er ist 3 Monate und kann sich noch nicht drehen?", "Bitte?! Er ist 6 Monate und kann nicht sitzen?! NICHT normal!". 
So zieht es sich durch wie ein roter Faden. 
Das erste Jahr habe ich dieses "Spiel" noch mitgemacht, war besorgt, habe gelesen, recherchiert was mein Kind können muss, ob das normal ist oder nicht, saß so oft heulend aus purer Überforderung zu Hause, weil ich mithalten wollte mit den "normalen" Kindern. 

Als Leo in die Krippe ging hörte das alles schlagartig auf. Mir wurde versichert, mein Kind sei völlig normal, gesund, glücklich und zufrieden, ich würde alles richtig machen. Auch die Dame, die damals beim Kinderarzt die U's machte versicherte mir, dass alles normal sei. Es ging runter wie Öl! Ich war erleichtert, entspannt, kam zur Ruhe, war zufrieden. 

Dennoch hatte und habe ich Zweifel. Bei der U-Untersuchung letztes Jahr war plötzlich eine neue Ärztin da. Alles lief anders als sonst, sie beobachtete mein Kind anders, sah nur Momentaufnahme und da war es wieder: Das Gefühl der Angst, dass irgendwas nicht normal sei, dass irgendwas nicht so ist, wie es sein soll. Tatsächlich hatte sie etwas gefunden: Die Schultern meines Sohnes neigen leicht nach vorn, liegt in der Familie. Mir wurde allerdings dann erklärt, das hätte damit nichts zu tun, mein Kind würde nie draussen spielen und vor allem nicht klettern. Als ich versuchte zu erläutern, dass das gar nicht stimmen kann, da braucht sie sich ja nur seine Schienbeine anschauen, wurde ich unterbrochen. Sie könnte das schließlich als Ärztin sehen, ich könne ja viel erzählen. Peng! Das saß! Ich hatte damals keine Lust zu diskutieren, ich wollte nur raus. Ich habe mir die restliche Streiterei gespart und nichts mehr dazu gesagt. Natürlich war ich sauer und verletzt. Vor allem kam ich mir vor wie ein kleines Kind, dass nichts zu melden hat, dabei ging es da gerade um MEIN Kind. 

Die U-Untersuchung dieses Jahr war noch schlimmer. Ich hatte Angst davor, ja Panik. Mir war vorher schon schlecht, weil ich nicht wusste, was genau auf uns zukommt und wie mein Sohn darauf reagieren wird. Ich wäre gern zu einem anderen Arzt gegangen, aber die Auswahl hier vor Ort ist leider nicht groß und die Wartelisten leider sehr lang. 
Also dachte ich, gut, es ist nur eine U. Was kann da groß passieren, er hat ja nichts, er ist ja normal entwickelt. 

Da waren wir also zum ersten Teil der U8. Leo wollte lieber im Wartezimmer spielen anstatt seine Jacke auszuziehen, also ging er in voller Montur mit mir mit ins Sprechzimmer. Fand die Dame schon nicht toll. Auch, dass er unbedingt an meine Hand wollte, fand sie nicht gut, konnte man am Gesichtsausdruck erkennen. 
Er sollte sich ohne große Begrüßung oder Kennenlernen auf einen Stuhl setzen an ihrem Schreibtisch. Wollte er nicht, er wollte auf meinen Schoß. Dann legte sie ihm stumpf einen Zettel mit Stift hin mit den Worten "Mal mal einen Kreis!" Jeder kann sich denken, dass er das natürlich nicht gemacht hat. Er wollte weg. Das wiederholte er auch ständig und ich konnte das durchaus verstehen. Sie konnte das nicht verstehen und wurde ungeduldig. Sie hätte keine Zeit für so etwas, da würden noch andere Kinder warten. 
Den Hörtest hat Leo mit ach und krach gemeistert, genau wie den Sehtest. Balancieren wollte er nicht mehr und so unliebevoll wie er behandelt wurde und alles aufgebaut war konnte ich auch das verstehen. Ich hätte das alles auch nicht gemacht unter diesen Bedingungen, zumal für diese U8 nur 30 Minuten eingeplant wurden, was ich persönlich sehr wenig finde, da Seh- und Hörtest schon viel Zeit in Anspruch nehmen.
Ich hatte ihn mit allen Mitteln versucht zu locken, dass er mitmacht. Ich wollte auch diesmal wieder erläutern, dass er das alles kann, dass ich das weiss, aber mir wurde nicht zugehört. Kann ja jeder sagen. Jede Mutter sagt, dass ihr Kind alles kann war die Antwort darauf. Ja, das stimmt auch irgendwie, trotzdem möchte ich angehört werden. Es ist doch MEIN Kind und wenn es nicht für sich sprechen will und mich flehend anguckt, dann MUSS ich das doch tun.

Unsere Unterlagen wurden einbehalten. Ich habe mir dabei erst nichts gedacht, ich wollte nur nach Hause. Ich habe mein Kind selten so erlebt, das war wirklich mal nicht normal, so still, in sich gekehrt, verunsichert, ängstlich. Ich war nass geschwitzt und total durch, genau wie er. 

Als wir zu Hause waren und mein Mann mich fragte wie es war, fing ich an zu heulen, weil die ganze Anspannung abfiel. Als ich erzählte, dass sie unsere Unterlagen einbehalten hatten, kam die Panik. Das würde ein Nachspiel geben, denn eigentlich dürfen sie das doch nicht? Wir waren uns nicht mehr sicher. Wir waren mit nichts mehr sicher.

Unser Sohn ist 4. Schon 4, aber irgendwie auch erst 4. Es wird plötzlich so viel von ihm erwartet, ich frage mich ob es richtig ist, so viel von einem 4 jährigen zu erwarten. Kinder mit 4 sollen nicht mehr fremdeln wurde mir erklärt. Er fremdelt nicht, er ist schüchtern und braucht manchmal eine gewissen Zeit um "aufzutauen". Ist das so schlimm? Müssen alle Kinder zu dieser U kommen oder in einen Raum und ALLE mögen und sofort rumspringen. Es gibt Kinder, die das tun, finde ich toll. Meiner tut es nicht und das ist genau so in Ordnung.

Ich habe nach dieser U die ganze Nacht wach gelegen und mich wieder gefragt: Ist Leo normal? Haben wir alles richtig gemacht? Warum war dieser Arztbesuch so? Was hätte ich anders machen können? Er ist doch sonst so ein glückliches Kerlchen....

Am nächsten morgen habe ich mir unsere Unterlagen geholt. Das Gespräch in der Arztpraxis war nicht schön. Mir wurde sehr viel vorgeworfen, was definitiv nicht stimmt. Ich werde das hier nicht ausführen, aber es war schon ein sehr heftiger Umgangston, der dort herrschte. 

Wir haben den Arzt gewechselt, die U8 wurde wiederholt. Mein Sohn ist völlig normal und bestens entwickelt. 

Ich verstehe den Sinn hintern den U's und ich finde es gut und wichtig, dass es sie gibt. Die Umsetzung hapert nur leider bei vielen Ärzten und der Druck, der auf einem lastet ist verdammt groß. Es würde mich und auch ganz bestimmt viele andere freuen, wenn man ihn vermeiden könnte. 

Ein Schritt in die Richtung wäre auch, wenn Mütter sich nicht gegenseitig total bekloppt machen würden, was ihr Kind alles kann und das andere nicht. 
Wann ein Kind krabbelt, wenn überhaupt, läuft, spricht, hüpft, malt, etc. ist doch egal solange es gesund und glücklich ist.  

Mein Sohn ist zum Beispiel ein kleiner Eigenbrötler. Er hat seine zwei Freunde mit denen er gerne mal nachmittags spielt, aber neue Kinder einladen? Nein. Auch nicht, die die er kennt aus dem Kindergarten. Er möchte das nicht. Schlimm? Nein. Normal? Für ihn ja. Für andere unverständlich. So ist er aber, und er ist gut so, denn er kann seinen Willen klar formulieren und wir belassen es dabei. Wenn das ein Kind nicht stärkt, dann weiß ich auch nicht...

Und was ist denn schon normal? Sind wir normal? Müssen wir normal sein? Wer schreibt uns das vor? Warum also so einen Zwang bei Kindern herbeiführen. Kind sein ist die schönste Zeit des Lebens. Sie sollten es geniessen.